Berlin. Eine Studie offenbart eine besorgniserregende Tendenz: Neubau kostet in Deutschland viel mehr als im europäischen Ausland. Die Gründe.

Die Herstellungskosten für neuen Wohnraum sind in Deutschland zum Teil deutlich höher als im Rest Europas. Zu dem Ergebnis kommt eine neue Studie des Immobiliendienstleisters CBRE, die dieser Redaktion vorab vorlag. Demnach müssen Bauherren derzeit durchschnittlich mit gut 5.150 Euro pro Quadratmeter beim Bau einer neuen Wohnung kalkulieren. Damit seien die Herstellungskosten höher „als in vielen anderen europäischen Ländern“, heißt es in der CBRE-Analyse. Für die Erhebung wurden die mittleren Baukosten in europäischen Städten miteinander verglichen hat.

Nicht nur eigentliche Baukosten lägen mit 3.420 Euro im Durchschnitt besonders hoch. Als einen wesentlichen Faktor der hohen Herstellungskosten für Neubauwohnungen sehen die Autoren die staatliche Abgabenlast: Der Anteil der Kosten, der auf den Staat zurückzuführen ist, liege bei 37 Prozent. Darin eingerechnet sind neben Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer auch energetische Anforderungen, technische Baubestimmungen und kommunale Vorschriften wie eine Baugenehmigung. Hinzu addiert wurden bei der Berechnung des staatlichen Anteils zudem noch Kosten, die für den verpflichtenden Anteil des sozialen Wohnungsbaus anfallen.

Wohnungsbau: Diese eine Sache ist in Frankreich sehr viel teurer

Europaweit ist der Anteil der staatlichen Abgaben beim Wohnungsneubau nur noch in den Niederlanden höher. Es folgen Deutschland, Schweden und Frankreich. In Österreich liegt der Anteil an staatlich induzierten Kosten hingegen nur bei gut sieben Prozent, so CBRE. Als weiteren Kostentreiber sehen die Studienautoren auch die Baunebenkosten – also Planungsleistungen, Finanzierungskosten, aber auch Kosten für Gutachten. Diese lägen mit 490 Euro pro Quadratmeter sogar höher als in jedem anderen Land.

Günstiger kommen Bauherren beim Bauland weg: Die Grundstückskosten summieren sich pro Quadratmeter in Deutschland im Schnitt auf 1.010 Euro und liegen damit deutlich unter dem Niveau von Frankreich, wo das teure Paris diese Kosten auf 2.400 Euro treibt.

Wohnungen: Spitzenverband ZIA will Auszeit für Grunderwerbssteuer

„Deutschland ist ein Hochkostenland beim Wohnungsneubau“, sagte Jan Linsin von CBRE, einer der Studienautoren. Mit den 5.150 Euro pro Quadratmeter liegt Deutschland für den Wohnungsneubau leicht über Frankreich und Finnland (jeweils 5.000 Euro) und deutlich höher als Polen, das mit 2.130 Euro pro Quadratmeter die geringsten Kosten der untersuchten Länder aufweist. Auch in Österreich sind die Kosten mit 3.030 Euro weitaus geringer als in Deutschland – ebenso in den Niederlanden (4.240 Euro) und in Schweden (3.710 Euro).

Auch wegen der Kostenentwicklung sind die Wohnungsbauzahlen in Deutschland in diesem Jahr eingebrochen. Bund und Länder hatten sich zuletzt auf Maßnahmen verständigt, um den Neubau wieder anzukurbeln. Diese reichten jedoch nicht aus, heißt es vom Spitzenverband der Immobilienwirtschaft ZIA. Dessen Präsident Andreas Mattner spricht von einem „Missstand“. „37 Prozent der Kosten beim Wohnungsneubau entstehen ‚von Staats wegen‘, was uns im europäischen Umfeld leider richtig schlecht und überreguliert aussehen lässt“, sagte er dieser Redaktion.

Deutschland läuft seinen selbst gesteckten Zielen beim Wohnungsneubau hinterher.
Deutschland läuft seinen selbst gesteckten Zielen beim Wohnungsneubau hinterher. © DPA Images | Julian Stratenschulte

Aktuell geht der ZIA von 750.000 fehlenden Wohnungen bis 2025 aus. Damit wäre die Lücke um 50.00 Einheiten größer als noch zu Beginn dieses Jahres erwartet. Bis 2027 könnten laut ZIA-Prognose bis zu 830.000 Wohnungen fehlen. Mattner forderte „baldige Entlastungen“ und nannte ein „starkes KfW-Kreditprogramm mit einem Zinssatz von höchstens zwei Prozent“ sowie eine „Auszeit bei der Grunderwerbsteuer bis 2025“ als Reformvorschläge.

Wohnungsbau: Bundesbauministerin Klara Geywitz gibt Versprechen ab

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) sagte dieser Redaktion: „Wir werden Bauen in Deutschland wieder billiger machen. Wir haben im Bündnis bezahlbarer Wohnraum deshalb viele Maßnahmen beschlossen, damit genau das passiert.“ Sie verwies auf den digitalen Bauantrag, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren oder die Aussetzung des EH40-Standards ab 2025. Als „Schalthebel für preiswertes Bauen“ nannte Geywitz zudem die serielle Produktion, die Baupreise um die 3000 Euro pro Quadratmeter ermögliche. Sie sprach sich zudem erneut dafür aus, die Grunderwerbsteuer abzusenken.

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Von der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag hieß es mit Blick auf die Ergebnisse, Bauen in Deutschland sei schlicht zu teuer. „Wir brauchen eine echte Zeitenwende für bessere Rahmenbedingungen im Wohnungsbau. Die schier unübersehbare Vielzahl von Bauvorschriften muss radikal entschlackt werden. Für immer strengere und kostentreibende Baustandards gibt es keine Spielräume mehr“, sagte der Sprecher für Bauen und Wohnen, Jan-Marco Luczak. Die aktuelle Haushaltskrise könne zudem zum Brandbeschleuniger für die Wohnungsbaukrise werden, sagte Luczak weiter. Er forderte für Investoren „schnellstmöglich Klarheit über die finanziellen Rahmenbedingungen der nächsten Jahre“.

Sozialverband fordert mehr Schutz vor hohen Mieten

Die Vorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, bezeichnete es als grundsätzliches Problem, dass der Neubau von bezahlbarem Wohnraum nur wenig Rendite abwerfe und deswegen von vielen Wohnungsunternehmen derzeit nicht gemacht werde. Dabei würde gerade jetzt mehr Neubau gebraucht werden, da derzeit mehr Sozialwohnungen aus den Bindungsfristen fallen, als neue Einheiten entstehen.

„Leider liegt der Neubau weit hinter den selbstgesteckten Zielen der Ampel von 400.000 Wohnungen im Jahr – davon 100.000 Sozialwohnungen – zurück“, sagte Engelmeier, die erneut einen wirksameren Mieterschutz forderte. Als Beispiel dafür nannte sie eine flächendeckend greifende Mietpreisregulierung, eine neue Wohngemeinnützigkeit, Milieuschutz und die langfristige Bindung von Sozialwohnungen.