Berlin. Sex ist kein Hochleistungssport. Dennoch sorgen sich viele Männer um ihre sexuelle Performance. Die Folge: Im Bett läuft es nicht mehr.

Lust, Leidenschaft, Ekstase und der Höhepunkt – in der Fantasie gibt es Sex nach dem vermeintlich perfekten Drehbuch. Doch in der Realität verläuft der sexuelle Akt oft nicht so glatt: Mal ist beispielsweise für einen Partner früher Schluss als erhofft, mal können sich die Beteiligten nicht aufeinander einstellen oder der eine probiert etwas aus, was dem anderen nicht gefällt.

Doch die idealisierte Vorstellung vom perfekten Sex erzeugt bei vielen Paaren Druck, der zu Versagensängsten führen kann. Eine Paar- und Sexualtherapeutin erklärt, was hinter dieser Angst steckt und warum Leistungsdruck einem guten Sexualleben nur im Wege steht.

Sex als Hochleistungssport

Dass Sex in einer Beziehung manchmal in den Hintergrund rückt, muss nicht auf Probleme in der Partnerschaft hindeuten, sondern kann auch auf sexuellen Leistungsdruck zurückzuführen sein. Laut einer Studie von „ElitePartner“, für die vergangenes Jahr über 4.000 Liierte zu ihrem Sexleben befragt wurden, machen sich beide Geschlechter Sorgen, ob sie ihren Partner oder ihre Partnerin sexuell ausreichend befriedigen. 22 Prozent der Frauen und 23 Prozent der Männer zweifeln demnach an der eigenen sexuellen Leistungsfähigkeit.

Wer großen sexuellen Leistungsdruck verspürt, kann mitunter das Interesse an körperlicher Nähe in der Beziehung verlieren.
Wer großen sexuellen Leistungsdruck verspürt, kann mitunter das Interesse an körperlicher Nähe in der Beziehung verlieren. © iStock | Prostock-studio

Laut der Paar- und Sexualtherapeutin Beatrice Wagner rührt die sexuelle Lustlosigkeit vor allem daher, dass sich die Werte unserer heutigen Leistungsgesellschaft auch auf zwischenmenschliche Beziehungen übertragen haben: Sex sei zu einem Tauschgeschäft geworden, bei dem es nur noch darum gehe, dass beide Partner zum Orgasmus kommen. Werde dieses Ziel nicht erreicht, fühlten sich die Beteiligten schnell als Versager, so die Expertin.

Sexuelle Leistungsangst: Probleme im Bett auch psychisch bedingt

Neben dem sozialen Druck sei der Leistungsdruck im Bett auch psychologischer Natur, so Wagner, und habe mit der Sorge zu tun, was andere, vor allem die Partnerin, denken könnten, wenn man sexuell “versagt” oder keine Erektion bekommt. Die Angst könne vor, während oder nach dem Geschlechtsverkehr auftreten und zu körperlichen Problemen wie erektiler Dysfunktion, vorzeitigem Samenerguss und Orgasmusschwierigkeiten führen. „Gegen solche psychischen Probleme hilft oft auch die berühmte blaue Pille nicht“, sagt die Paartherapeutin.

Sexueller Leistungsdruck gefährdet Sexualleben

Das größte Problem der sexuellen Leistungsangst ist laut der Paartherapeutin Beatrice Wagner, dass sie in einen Teufelskreis führt: „Der Leistungsdruck führt dazu, dass man sexuell nicht so leistungsfähig ist, wie man gerne wäre – und das wiederum führt dazu, dass die Angst vor sexuellem Versagen immer größer wird“. Am Ende könne Sex sogar zu etwas Abschreckendem werden, das die Betroffenen gar nicht mehr genießen könnten.

Wie kann der sexuelle Leistungsdruck bei Männern überwunden werden?

Der klinische Sexualpsychologe Christoph Joseph Ahlers beschreibt Sex in seinem Buch „Himmel auf Erden und Hölle im Kopf“ als intimste Form der Kommunikation, als intensive Möglichkeit, psychosoziale Grundbedürfnisse körperlich und seelisch zu befriedigen.

Gerade weil Sex ein so intimer zwischenmenschlicher Austausch sei, sollte man auch sorgsam damit umgehen – schließlich möchte sich niemand einem Menschen nackt und verletzlich zeigen, der ihn ständig missachtet und verletzt. Wer intim lieben wolle, müsse intim werden, so Ahlers.

Auch Paartherapeutin Wagner rät, den anderen so zu akzeptieren, wie er ist, und auch in sexuellen Durststrecken nicht auf Zärtlichkeit zu verzichten. Denn das könne als „Strafe“ für die sexuelle Leistungsschwäche empfunden werden und den Druck erhöhen. Wenn ein Paar dies schaffe, könne auch die Versagensangst aufgelöst werden, so Wagner.

Weitere Tipps, um den Druck aus dem Sexualleben zu nehmen:

1. Sexualität anders ausleben

Laut Paartherapeutin Beatrice Wagner hilft es vielen Paaren, eine Zeit lang ganz auf Sex zu verzichten und die Sexualität auf andere Weise gemeinsam auszuleben. Wagner empfiehlt zum Beispiel eine Übernachtung im Hotel oder ein romantisches Abendessen zu zweit. Dazu gehöre auch, sich nicht auf den Orgasmus zu fixieren. „Es geht vielmehr darum, wieder ein gemeinsames Liebesspiel zu entwickeln“, sagt Wagner.

2. Beim Sex die Kontrolle abgeben

Viele Männer seien mit Kopf und Gedanken ganz woanders, aber nicht mit ihrem Körper, sagt Wagner. „Sie wissen oft gar nicht, was sie beim Sex empfinden.“ Um wieder Lust zu empfinden, sollten Männer sich auf ihre Wahrnehmung konzentrieren. „Für einen Orgasmus muss man den Kontrollteil im Gehirn für einen Moment ausschalten und sich der Situation einfach hingeben“, sagt Wagner. Dazu brauche es aber Vertrauen in den Partner.

3. Männer müssen keine Lust auf Sex haben

„Der Druck lastet auf dem Mann: Er muss immer können, auf Kommando eine Erektion bekommen und die Frau befriedigen“, sagt Paartherapeutin Beatrice Wagner. Doch diese hohen, unerfüllbaren Erwartungen führten oft zu Ersatzhandlungen: Die Männer gehen fremd, konzentrieren sich ganz auf die Arbeit oder bekommen gar keine Erektion. „Männer müssen sich von dem Druck befreien, immer wie eine Maschine funktionieren zu müssen“, sagt Wagner.