München. Sie kommen meist in der Nacht, kurz darauf gibt es eine heftige Explosion, und dann sind sie auch schon wieder weg: Banden, die Geldautomaten sprengen. Nun ist Fahndern ein Erfolg gelungen.

Im Kampf gegen internationale Banden, die in Deutschland Geldautomaten sprengen, ist den Fahndern nach eigener Einschätzung in dieser Woche ein "herausragender Ermittlungserfolg" gegen eine niederländische Bande gelungen, die hierzulande mehr als 50 Geldautomaten gesprengt und dabei 5,2 Millionen Euro erbeutet haben soll. Nach Attacken in Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen führten Polizisten - ausgestattet mit Haftbefehlen - am Montag in den Niederlanden und in Belgien eine Razzia durch und durchsuchten 16 Objekte. Mehr als 270 Einsatzkräfte sowie mehrere Staatsanwälte und Richter waren am Aktionstag beteiligt. Es handelt es sich hierbei um eine der größten Aktionen gegen Geldautomatensprenger in den Niederlanden.

Die Beamten dort hatten gemeinsam mit dem baden-württembergischen Landeskriminalamt, der Staatsanwaltschaft Bamberg und den niederländischen Behörden seit mehr als einem Jahr gegen eine mutmaßliche Bande ermittelt, die seit November 2021 mit Ausnahme eines Falls in Thüringen stets Geldautomaten in den beiden süddeutschen Bundesländern ausgesucht hatte. Für die polizeiliche Arbeit richtete das Bayerische Landeskriminalamt eine Ermittlungsgruppe im Bereich der Organisierten Kriminalität ein.

Insgesamt neun Männer festgenommen

Die Ermittlungen führten zu einer Gruppierung aus der niederländischen Stadt Roermond, Provinz Limburg, und in die Provinz Utrecht. In enger Zusammenarbeit mit den niederländischen Justiz- und Polizeibehörden gelang es, mehrere Mitglieder dieser Gruppe zu identifizieren. Die Vorwürfe lauten insbesondere auf schweren Bandendiebstahl, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und Zerstörung eines Bauwerkes in mehreren Fällen. Aufgrund der Skrupellosigkeit und außerordentlichen Gefährlichkeit bei der Ausführung der einzelnen Taten ermittelt die Staatsanwaltschaft Bamberg in zehn Fällen auch wegen versuchten Tötungsdelikten. Hier handelt es sich jeweils um Fälle, bei denen Menschen in besondere Gefahr gebracht wurden.

Bei den neun Festgenommenen handelt es sich um Männer im Alter von 25 bis 41 Jahren mit Wohnort in den Niederlanden. Nach drei weiteren Mittätern wird aktuell noch gefahndet.

Zudem konnten umfangreiche Tat- und Beweismittel sichergestellt werden. Es wurden u.a. mehrere zehntausend Euro Bargeld, Maskierungsgegenstände, Luxuskleidung und -uhren beschlagnahmt. In einer Garage in Roermond wurden ein mutmaßliches Tatfahrzeug, Audi RS6, und mehrere vorgefertigte Sprengpacks sichergestellt.

Die festgenommenen Männer werden einem Haftrichter in den Niederlanden und Belgien vorgeführt. Die Staatsanwaltschaft Bamberg hat die Auslieferung nach Deutschland beantragt. "Die Täterinnen und Täter sprengen sich völlig rücksichtslos den Weg zum Geld frei, riskieren das Leben unbeteiligter Menschen und zerstören Gebäude", teilte Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) anlässlich der Festnahmen mit.

Durchschnittlich drei Automatensprengungen pro Monat

Nach bisherigem Ermittlungsstand begann die Serie von Geldautomatensprengungen, die alle mit Festsprengstoff begangen wurden, am 5. November 2021. In Heimertingen (Landkreis Unterallgäu) brachen an diesem Tag kurz vor 3 Uhr morgens mehrere zunächst unbekannte Täter den Geldautomaten der Sparkasse mit Brecheisen auf und setzten Festsprengstoff ein, um den Automaten zu zerstören und an das Geld zu gelangen. Anschließend flüchteten die Täter mit einem dunklen Audi RS6 Avant und konnten unerkannt entkommen.

Mit dem auffallend gleichen Prozedere gab es alleine in Bayern bis heute 34 Geldautomatensprengungen, von denen 31 erfolgreich waren. Dabei verursachten die Täter einen Schaden von mehr als vier Millionen Euro und erbeuteten über 3,4 Millionen Euro. Dabei zog das Geschehen im Jahresverlauf deutlich an, das bayerische LKA registrierte zuletzt im Durchschnitt etwa drei Fälle pro Monat.

Und auch im Vergleich zu den Vorjahren mussten die bayerischen Fahnder wieder deutlich häufiger zu den teils völlig zerstörten Tatorten ausrücken: Registrierten die Beamten 2019 noch 27 Fälle, zählten sie im Jahr darauf 24 Attacken und 2021 gar nur 17 Sprengungen. Wobei die Ermittler vermuten, dass der zwischenzeitliche Rückgang Folge der Ausgangsbeschränkungen und anderer Maßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie war.

Bundesweit waren 2022 bis Anfang Dezember rund 450 Geldautomaten gesprengt worden, wie die "Welt am Sonntag" seinerzeit unter Berufung auf Teilnehmer der Innenministerkonferenz berichtet hatte.

Täter verwenden vermehrt Explosivstoffe

In Baden-Württemberg blieb es im vergangenen Jahr zwar in elf Fällen beim erfolglosen Versuch, doch 23 Mal gelang den Tätern ihr Vorhaben. Im Vorjahr hatte es 24 Angriffe gegeben, 2020 gar 41 großteils erfolgreiche Versuche. Auch in anderen Bundesländern sind die laut Bundeskriminalamt oft aus den Niederlanden stammenden Banden ein handfestes Problem, im benachbarten Nordrhein-Westfalen etwa.

Dabei zeigt sich bundesweit der Trend, dass die Täter vermehrt feste Explosivstoffe verwenden. Diese Explosionen haben ein deutlich höheres Gefahrenpotenzial als die zuvor meist verwendete Methode der Sprengung durch eingeleitetes Gas. Banken und Sparkassen gehen deshalb inzwischen vermehrt dazu über, ihre Geldautomaten mit technischen Mitteln stärker zu sichern oder den Zugang zu ihren Vorräumen in den Nächten gleich ganz zu blockieren.

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