Erfurt. DAK-Studie: Viele Kinder leiden an Neurodermitis, Asthma und Depressionen. Kinder in sozialschwachen Familien sind kränker.

Neurodermitis, Asthma, Heuschnupfen – in Thüringen ist fast jedes dritte Kind körperlich chronisch krank. Knapp jedes Zehnte leidet an einer potenziell chronischen psychischen Erkrankung. Das ist das Ergebnis eines Länderreportes zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, für den die gesetzliche Krankenkasse DAK-Gesundheit Tausende Thüringer Versicherungsdaten aus dem Jahr 2016 ausgewertet hat.

Im Bundesvergleich sind Thüringer Kinder kränker als Gleichaltrige anderer Länder. Sie haben mehr Hautkrankheiten (20 Prozent) und Infektionen (14 Prozent) und leiden öfter an Atemwegsproblemen (11 Prozent). Bei Neurodermitis liegt die Rate bei über 60 Prozent. Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen. Zu den meistverschriebenen Medikamenten gehören Asthmasprays.

Auch die Häufigkeit von Rückenschmerzen sei alarmierend: Sechs Prozent aller Kinder ab 12 Jahren wurden wenigstens einmal aufgrund von Rückenleiden behandelt. „Frühe Muskel-Skelett-Probleme können im Erwachsenenalter schwere Rückenleiden nach sich ziehen“, sagt Marcus Kaiser, Leiter der DAK-Landesvertretung Thüringen. Zu den am weitesten verbreiteten seelischen Problemen gehören Schulangst und Depressionen – häufig mit potenziell chronischem Verlauf.

Wie sich die Gesundheit von Kindern im Freistaat unterscheidet

Die Experten führen das unter anderem darauf zurück, dass sich Thüringer Kinder weniger bewegen. Jeder 20. minderjährige Versicherte sei chronisch übergewichtig und leide an einer diagnostizierten Adipositas. „Die Wahrscheinlichkeit für eine klinisch diagnostizierte Depression ist bei diesen Kindern um das bis zu Dreifache höher“, sagt Marcus Kaiser.

Deutliche Unterschiede zwischen Stadtkindern und Kindern vom Land

Insgesamt haben neun von zehn Kindern wenigstens einen ambulanten oder stationären Kontakt mit dem Versorgungssystem. Verbunden sind damit nicht zuletzt höhere Versorgungskosten von 100 Euro pro Kopf gegenüber dem Bundesdurchschnitt. Die Gesamtausgaben aller zu Lasten der DAK-Gesundheit erstattungsfähigen Leistungen für Kinder und Jugendliche in Thüringen betrugen im Jahr 2016 über 13 Millionen Euro, laut Studie verursachten vier Prozent aller Kinder und Jugendlichen die Hälfte dieser Leistungsausgaben. Am meisten gibt die Kasse für die Gesundheit von Säuglingen aus. Mehr als die Hälfte der DAK-versicherten Kinder lebt auf dem Land. Ein Vergleich mit Stadtkindern zeigt deutliche Unterschiede: Letztere leiden häufiger unter Zahnkaries, Depressionen, Viruserkrankungen und grippalen Infekten. Landkinder haben hingegen eher eine Allergie. „Die Unterschiede zwischen Stadt- und Landkindern in Sachen Gesundheit sind größer als gedacht. Das kann an den Versorgungsstrukturen liegen, an der Umwelt, oder auch am Verhalten der Eltern“, so Kaiser.

Apropos Eltern: Laut Report haben sie erheblichen Einfluss auf den Gesundheitszustand ihres Nachwuchses. Kinder von Eltern ohne Ausbildungsabschluss leiden fast dreimal häufiger unter Karies als Akademikerkinder. Ähnlich verhält es sich auch bei krankhaften Übergewicht sowie bei Verhaltensstörungen.

Exklusive Untersuchung zur Kindesgesundheit

In Thüringen leben 320.000 Kinder und Jugendliche, bei steigenden Geburtenraten. Der DAK-Studie, die unserer Zeitung exklusiv vorab zur Verfügung gestellt wurde, liegen Daten von 13.000 versicherten Kindern zugrunde: das sind Abrechnungsdaten von Kliniken und Ärzten, Arznei- und Hilfsmittelverordnungen und Routinedaten. Es ist eine der bisher umfangreichsten Untersuchungen zur Thüringer Kindes- und Jugendgesundheit. Alle Daten werden bundesweit verglichen. Ein spezieller Abschnitt zeigt, wie die soziale Lage einer Familie und die Gesundheit der Eltern das Wohlbefinden von Kindern beeinflussen.