Jena. Die Thüringer Klimaagentur prognostiziert eine deutliche Zunahme der Sommertage. Und auch die Schneefallgrenze verschiebt sich in höhere Lagen.

Es wird heiß – die Thüringer müssen sich in den kommenden Jahren auf einen weiteren Anstieg der Temperaturen einstellen. „Bis 2050 werden wir deutlich mehr Hitzeperioden verzeichnen als bisher“, erklärt Frank Reinhardt, Referatsleiter der Thüringer Klimaagentur. Die Experten, die ihren Sitz in Jena haben, gehen in ihren Berechnungen von einem Anstieg der Durchschnittstemperaturen um 0,9 bis 2,5 Grad im Zeitraum 2021 bis 2050 aus. „Während es einerseits zu längeren Trockenperioden, vielleicht sogar Dürren kommt, erwarten wir auf der anderen Seite auch Stürme und Starkniederschläge“, so Reinhardt weiter.

Im Klartext heißt das: Winter, ade. Im Thüringer Wald wird die weiße Pracht wohl immer häufiger ausbleiben. „Die Schneefallgrenze verschiebt sich in immer höhere Regionen“, so der 57-jährige Reinhardt. Gab es im Zeitraum zwischen 1988 und 2017 noch rund 24 sogenannte Eistage im Jahr, wird sich deren Anzahl bis 2050 auf 18 reduzieren, so die Ergebnisse von Klimaprojektionen.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von einem externen Anbieter, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Es ist kein Geheimnis: Seit den 60er-Jahren war jede Dekade wärmer als die vorherige. Lag früher eine ausgeprägte Schneedecke ab einer Höhe von rund 600 Metern, liegt diese weiße Pracht jetzt erst ab 700 Meter. Allein der Herbst 2019 war mit durchschnittlich 9,6 Grad deutlich zu warm, weiß Reinhardt.

Der Klimawandel istein schleichender Prozess

Dabei würde sich Thüringen so gerne als Ski- und Rodelparadies präsentieren – und das nicht erst seit der flippigen Idee, die Olympischen Winterspiele 2030 in den Freistaat zu holen. Rund 25 Liftanlagen gibt es mittlerweile an den seichten Hängen, einige werden privat betrieben, andere sind in der Hand der Gemeinde. Und gerade erst hat das Bundesinnenministerium zusätzliche zehn Millionen Euro für die Biathlon- und Rodel-WM in Oberhof 2023 bereitgestellt. Auch von diesem Großereignis in dem kleinen Vorzeigeörtchen versprechen sich die Verantwortlichen eine knackige Außenwirkung.

Frank Reinhardt, Referatsleiter der Thüringer Klimaagentur.
Frank Reinhardt, Referatsleiter der Thüringer Klimaagentur. © Peter rathay

Knackiger Frost wäre besser, denn Schnee ist und bleibt in der Region der größte Unsicherheitsfaktor. Bleibt er immer häufiger aus, wie prognostiziert, bleiben auch Sportfans und Touristen aus. Künstliche Beschneiung kann heutzutage einiges abpuffern, aber der Einsatz der Maschinen lässt die Kosten auch rasch aus dem Ruder laufen.

In Oberhof gehen die Übernachtungszahlen kontinuierlich zurück – trotz aller Investitionen. Natürlich wird nicht gleich nächste Woche auf dem Schneekopf der Lavendel blühen. Vielmehr sei das Ganze ein schleichender Prozess. „Es wird auch immer wieder Jahre geben, in denen wir sehr gute Wintersportbedienungen haben werden“, beruhigt Reinhardt. Dieses Jahr aber scheint nicht dazuzugehören.

Jahresmittel in Thüringen bei 10,5 Grad

Mittlerweile dürfte aber jedem klar sein: Der Klimawandel wird kein Vergnügen. Die Wälder und Felder haben heute noch mit den Folgen des Hitzesommers 2018 zu kämpfen. Im wärmsten Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnung anno 1881 lag das Jahresmittel in Thüringen bei 10,5 Grad. „Ein wirklich extremer Wert.“ Gleich im Januar fegte „Frederike“ durch die Thüringer Wipfel, den Rest besorgten Wassermassen, die im Juni vom Himmel stürzten und sogar die Meininger Innenstadt und ein paar Monate später Erfurt überfluteten.

Die Temperaturerhöhung wird Menschen, Tiere und Pflanzen über Gebühr belasten. Besonders ältere Menschen sind anfällig für die Hitzeschwankungen. Während es in den letzten 30 Jahren rund 33 Sommertage mit mehr als 25 Grad gab, waren es in der Vergleichsperiode 1961 bis 1990 nur rund 24. „Und wir gehen davon aus, dass die Zahl im vieljährigen Mittel bis 2050 bei etwa 40 liegen wird“, so Reinhardt.

Gute Aussichten bestünden deshalb für ein erweitertes Obstsortiment. Gedeihen in Thüringen derzeit Äpfel, Erdbeeren und Kirschen, dürfte es in naher Zukunft auch Pfirsiche, Aprikosen und sogar Zitronen en masse geben. Im Gegenzug verschieben sich Vegetationsperioden, verzichten Zugvögel auf ihre Tour gen Süden und auch der Grundwasserspiegel wird sinken. Das wärmere Klima, so warnen Biologen bereits seit geraumer Zeit, lockt neue Tierarten an – wie etwa die asiatische Tigermücke.

Das gesellschaftliche Konfliktpotenzial ist in diesem Zusammenhang nur zu erahnen. Im Thüringer Umweltministerium ist man offensichtlich der Meinung, dass man den Klimawandel kaum aufhalten kann. Mit „Impakt II“ hat man aber zumindest ein Maßnahmenprogramm vorgestellt – zur Anpassung an die Folgen der schleichenden Temperaturerhöhung.

Fehlender Schnee vermiest Laune der Gastgeber und Dienstleister:

  • Milde Temperaturen vermiesen den Wintersportanbietern im Thüringer Wald derzeit die Laune. Natürlich sei die Stimmung bei Gastgebern und Dienstleistern schlecht, sagte Stefan Ebert vom Regionalverbund Thüringer Wald.
  • Wegen der hohen Temperaturen und der Luftfeuchtigkeit ist aber auch die Herstellung des Kunstschnees nicht immer möglich. „Die schlechte Schneesituation ist für Gastgeber und Dienstleister sicher mit Einbußen in dieser Saison verbunden“, so Ebert weiter.
  • Vergleichsweise gut ist die Lage dem Geschäftsführer der Oberhofer Freizeit und Tourismus GmbH, Rainer Mahn zufolge in Oberhof. „Wir haben viele Traditionsgäste, deshalb gibt es derzeit keine verstärkten Stornierungen.“
  • In der Skiarena Silbersattel in Steinach sind derzeit etwa ein Drittel der Alpinpisten geöffnet, sagte Geschäftsführer Axel Müller. Den Schneekanonen sei Dank.
  • Andere Skiliftbetreiber bekommen die Folgen des Schneemangels schmerzlich zu spüren. „Wir hatten in diesem Jahr bisher null Betriebsstunden“, sagt Wieland Weiß, der technische Leiter des Skilifts in Goldlauter bei Suhl.
  • Veranstaltungen wie der Rennsteig Skilauf, das Schlittenhunderennen Frauenwald sowie Schneeschuhtouren und Winterfeste müssten in diesem Jahr verschoben werden oder fielen ganz aus. „Wir bleiben aber optimistisch und hoffen sehr auf einen echten Wintereinbruch“, heißt es beim Regionalverbund Thüringer Wald.