Berlin. Die Ukraine wünscht sich von Deutschland Taurus-Marschflugkörper. Was die Waffe so wichtig macht – und warum die Regierung zögert.

Die Debatte um deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine nimmt wieder Fahrt auf. So wurden jüngst Forderungen laut, das Land mit Marschflugkörpern vom Typ „Taurus“ auszustatten. CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter forderte in der „Welt am Sonntag“ eine sofortige Lieferung, auch der FDP-Verteidigungspolitiker Marcus Faber sprach sich dafür aus.

Zuletzt schaltete sich der Grünen-Politiker Robin Wagener im „Spiegel“ in die Debatte ein: „Gerade in der aktuellen Phase ist deutlich: Die Ukraine braucht präzise Waffen mit größerer Reichweite, um Munitionsdepots, Kommandoposten, Abschussorte, und Logistikzentren ausschalten zu können“, so Osteuropa-Experte Wagener.

Taurus-Marschflugkörper: Hochpräzise und mit einer halben Tonne Sprengstoff geladen

Die Bundeswehr soll Kiesewetter zufolge im Besitz von 600 Taurus-Systemen sein, wovon allerdings nur 150 unmittelbar einsatzfähig seien. Der Rest, so Kiesewetter, könne ertüchtigt werden. Die Taurus-Marschflugkörper werden unter anderem auf Grund ihrer Reichweite von bis zu 500 Kilometern immer wieder als „Gamechanger“ bezeichnet. Die Ukraine wäre damit in der Lage, auch Ziele auf russischem Territorium zu treffen. Die Raketen werden von Flugzeugen aus gestartet und erreichen dann dem „Stern“ zufolge eine Geschwindigkeit knapp unter Schallgeschwindigkeit (Mach 1), also fast 1235 Kilometern pro Stunde.

Auf Grund ihrer geringen Flughöhe von nur 50 Metern sind die Marschflugkörper schwer abzufangen. Ein Navigationssystem im vorderen Teil, bei dem unter anderem GPS und bildverarbeitende Programme zum Einsatz kommen, ermöglicht es den Flugkörpern, Hindernissen auszuweichen und vorprogrammierte Ziele mit hoher Präzision zu treffen. Dort angekommen richtet die Waffe, geladen mit einer halben Tonne Sprengstoff, großen Schaden an und durchbricht auch schwere Bunkeranlagen. Dabei dringt ein sogenannter Penetrator, ein mit Sprengstoff gefülltes, ungefähr zwei Meter langes Wuchtgeschoss aus Stahl in das Ziel ein und explodiert im Inneren.

Der Marschflugkörper KEPD 350 der Taurus Systems GmbH mit Sitz in Bayern, hier ausgestellt auf einer Madrider Fachmesse im Mai dieses Jahres.
Der Marschflugkörper KEPD 350 der Taurus Systems GmbH mit Sitz in Bayern, hier ausgestellt auf einer Madrider Fachmesse im Mai dieses Jahres. © AFP | THOMAS COEX

Pistorius schließt Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern weiter aus

Die Taurus-Systeme werden im bayerischen Schrobenhausen von der deutsch-schwedischen Taurus Systems GmbH gefertigt. Jede der rund fünf Meter langen und über eine Tonne schweren Systeme kostet dem „Stern“ zufolge rund eine Millionen Euro.

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Innerhalb der Ampelparteien herrscht beim Thema offenbar Uneinigkeit. Eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums teilte der „Welt am Sonntag“ mit, Minister Boris Pistorius (SPD) beharre weiter auf der Position, „dass es keine Lieferungen geben wird“. Dieses „Nein“ aus Berlin steht im Kontrast zu bereits erfolgten Lieferungen ähnlicher Systeme aus Großbritannien und Frankreich, wie im Mai und Juli bekannt wurde. Die USA stellen der Ukraine bislang keine derartigen Flugkörper zur Verfügung, worin Experten einen möglichen Grund für die Zurückhaltung Deutschlands sehen.

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, bekräftigte unterdessen Kiews Wunsch, nun auch Berlin von der Lieferung von Marschflugkörpern überzeugen zu können: „Wir zählen sehr auf deutsche ‘Taurus’-Raketen“, so Makeiev gegenüber der „Welt am Sonntag“.

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