Berlin. Nächste Schlappe für die Bundesregierung. Sie muss laut einem Gerichtsurteil deutlich mehr für den Klimaschutz tun – und zwar sofort.

Ein Klimakanzler wollte Olaf Scholz (SPD) sein. Er, der doch schon Teil der letzten Bundesregierung war, wollte den Klimaschutz endlich voranbringen und den Stillstand überwinden. Doch die alten Probleme bleiben. Besonders deutlich zeigt sich das beim Verkehr und bei den Gebäuden.

Denn in beiden Sektoren werden nach wie vor mehr schädliche Klimagase freigesetzt als das Klimaschutzgesetz erlaubt. Allein im Verkehr wurden im vergangenen Jahr laut offiziellen Angaben 148 Millionen Tonnen CO₂ ausgestoßen – und damit neun Millionen Tonnen zu viel. Schon 2021 wurden die Vorgaben verfehlt. Das Ziel, die Sektor-Emissionen beim Verkehr bis 2030 auf 85 Millionen Tonnen zu verringern, dürften so kaum erreichbar sein.

Das sahen offenbar auch die Deutsche Umwelthilfe und der Umweltverband BUND so. Sie zogen deshalb vor Gericht – und bekamen nun Recht. Wie das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am Donnerstag feststellte, hat die Bundesregierung gegen das Klimaschutzgesetz verstoßen.

Deutsche Umwelthilfe und BUND klagen für mehr Klimaschutz – und bekommen recht

Weil die Sektorziele beim Klimaschutz im Verkehr und bei den Gebäuden 2022 verfehlt wurden, hätte die Ampel-Koalition eigentlich Sofortmaßnahmen beschließen müssen. Doch das hat sie laut Gericht nicht in ausreichendem Umfang getan. Die Richter stellten fest, „dass die Bundesregierung aufgrund der festgestellten Überschreitungen an zulässigen Treibhausgasemissionen in den Sektoren Gebäude und Verkehr zu einem Beschluss über ein Sofortprogramm verpflichtet ist“. Das beschlossene Klimaschutzprogramm 2023 erfülle diese Anforderungen nicht.

Die Bundesregierung hatte vor Gericht argumentiert, bei den Einsparungen komme es nicht auf Einzelmaßnahmen in den jeweiligen Sektoren an, sondern darauf, welche Gesamtsumme von CO₂-Emissionen am Ende bis zum Jahr 2030 eingespart wird. Gerade im Gebäudesektor wirkten Maßnahmen der Regel erst zeitverzögert.

Thorsten Frei, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion von CDU und CSU, bezeichnete das Urteil gegenüber unserer Redaktion als „schallende Ohrfeige für den selbst ernannten Klimakanzler in seiner sogenannten Fortschrittskoalition“. Dass ausgerechnet diese Bundesregierung mit einem eigenen Wirtschafts- und Klimaschutzministerium zu einer grundlegenden Neuausrichtung ihrer Klimapolitik aufgefordert werde, komme einer Bankrotterklärung gleich. „Neben ihrer Haushalts- und Migrationspolitik ist die Ampel nun auch mit ihren Tricks bei der Klimapolitik gescheitert“, so Frei weiter.

Von der Entscheidung begeistert zeigt sich die Deutsche Umwelthilfe. Sie spricht von einem „bahnbrechenden Klima-Urteil“ und einem „richterlichen Doppel-Wumms für den Klimaschutz“. Man habe die Bundesregierung vor Gericht zur Aufstellung von wirksamen Klimaschutz-Programmen gezwungen, heißt es in einer Mitteilung.

Ampel zu Klimaschutz-Maßnahmen verpflichtet: Wie geht es jetzt weiter?

Doch wie könnte es nun weitergehen? Zunächst ist eine Fortführung des Streits in der nächsten Instanz denkbar. Die Möglichkeit einer Revision räumte das Gericht der Bundesregierung am Donnerstag ausdrücklich ein. Das Ministerium von Robert Habeck (Grüne) erklärte, es werde „die Urteile und ihre Begründungen, sobald diese schriftlich vorliegen, im Einzelnen genau auswerten und das weitere Vorgehen prüfen.“ Klar ist, dass der Ausstoß von vor allem CO₂ im Verkehr und bei Gebäuden reduziert werden muss. Ansätze, wie das passieren könnte, sind durchaus vorhanden. Folgende Forderungen stellt die Deutsche Umwelthilfe:

  • ein Tempolimit auf Autobahnen
  • eine CO₂-basierte Neuzulassungssteuer für Pkw
  • den Abbau klimaschädlicher Subventionen
  • eine Sanierungsoffensive für Schulen und Kindergärten

In der Bundesregierung sind diese Ansätze umstritten. Vor allem die FDP um Finanzminister und Parteichef Christian Lindner ist vehement gegen ein Tempolimit oder Steuererhöhungen. Auch gegen einen Abbau klimaschädlicher Subventionen stemmt sich Lindner – und spricht stattdessen von zu hohen Subventionen für den Klimaschutz.

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Eine Einigung vor allem zwischen FDP und Grünen, die gern mehr für den Klimaschutz tun würden, scheint also in weiter Ferne. Zumal im Haushalt für das kommende Jahr derzeit ohnehin eine gigantische Lücke klafft. Auch zur Frage, wie diese geschlossen werden könnte, gibt es bisher keinen Kompromiss. Zeit, dass Scholz aktiv und zum Klimakanzler wird.