Berlin. Eine toxische Beziehung oder Ehe retten zu wollen, ist oft mit emotionalem Stress verbunden. Wann es keine Hoffnung mehr gibt.

  • Wenn man in einer unglücklichen Beziehung ist, hat sich häufig bereits ein Gefühl der Unzufriedenheit bei mindestens einem Partner manifestiert
  • Aber häufig ist nicht nur ein Partner für die Vergiftung der Beziehung verantwortlich
  • Psychologen erklären, wann man die toxische Beziehung retten – und wann man es lieber sein lassen sollte

Der Begriff „toxische Beziehung“ ist zu einem Modewort geworden – und mit ihm die Tendenz, jede Beziehung, die unglücklich macht, als „toxisch“ zu bezeichnen. Doch nicht jede unglückliche oder unausgewogene Beziehung ist automatisch toxisch. Ein Psychologe und eine psychologische Psychotherapeutin erklären, ab wann es sich um eine toxische Beziehung handelt und ob eine so vergiftete Partnerschaft noch zu retten ist.

Was ist eine toxische Beziehung?

Das Wort „toxisch“ stammt vom griechischen Wort „toxikòn“ ab, was so viel wie „Pfeilgift“ bedeutet. Im alten Griechenland bezeichnete man mit dem Ausdruck „toxikòn phármakon“ das Gift, in das die Krieger ihre Bogenspitzen tauchten, um ihre Feinde zu vergiften. Übertragen auf eine Partnerschaft und die Liebe beschreibt es eine schädliche zwischenmenschliche Verbindung. Der Begriff „toxic relationship“ oder „toxische Beziehung“ ist heute nicht nur im englischen, sondern auch im deutschen Sprachraum geläufig.

Laut dem Hamburger Psychologen und Sachbuchautor Christian Hemschemeier beschreibt der Begriff ein drogenähnliches Abhängigkeitsverhältnis: „Das Hauptsymptom einer toxischen Beziehung ist, dass ein Partner liebessüchtig wird.“ Die Gedanken der Betroffenen würden nur noch um die Liebe kreisen. Dadurch würden sie immer mehr in die Beziehung hineingezogen, worunter ihre körperliche und seelische Gesundheit, aber auch die Arbeit und die sozialen Kontakte litten, so der Experte.

Weitere Anzeichen einer toxischen Beziehung sind laut Hemschemeier:

  • Schuldumkehr: Schuld und damit Verantwortung für die Tat wird von den Tätern auf die Betroffenen verlagert
  • Gaslighting: Gezielte Manipulation des Partners oder der Partnerin durch Lügen
  • Doppelmoral: Die Partner werden bis ins Detail kontrolliert, während sich die Täter alle Freiheiten herausnehmen
  • Love Bombing: Unverhältnismäßige Überhäufung mit Liebesbekundungen sehr kurz nach dem Kennenlernen

Was unterscheidet einseitige von wechselseitigen toxischen Beziehungen?

Verena Düttmann, psychologische Psychotherapeutin bei der Online-Therapieplattform „HelloBetter“, unterscheidet außerdem zwischen einseitigen und wechselseitigen toxischen Beziehungen. Diese Unterscheidung helfe zu bestimmen, welches Vorgehen notwendig sei, um eine toxische Beziehungsdynamik aufzulösen.

„In einseitig toxischen Beziehungen verhält sich eine Person dominant und verletzend gegenüber einer anderen“, erklärt Düttmann. Das betreffe nicht nur Liebesbeziehungen: Auch toxische Eltern-Kind-Beziehungen könnten entstehen, in denen Eltern ihre Kinder sexuell, körperlich oder seelisch misshandeln.

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    Die Toxizität könne aber auch von beiden Seiten ausgehen. „In wechselseitig toxischen Beziehungen herrscht eine Dynamik, in der beide Personen toxisches Verhalten gegeneinander zeigen“, erklärt die Psychotherapeutin. Laut dem Diplom-Psychologen Hemschemeier gebe es in einer reziproken toxischen Beziehung also keine Opfer-Täter-Umkehr, sondern meist einen mauernden, egozentrischen Partner und einen abhängigen, liebessüchtigen Partner, die sich nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip zusammenfinden.

    Kann eine toxische Beziehung gerettet werden?

    Bei toxischen Beziehungen gibt es nicht nur Schwarz und Weiß, sondern auch viel Grau. „Je weniger toxisch eine Beziehung ist, desto größer ist die Chance, sie zu retten“, sagt Psychotherapeutin Düttmann. Voraussetzung dafür sei allerdings, die toxische Beziehung überhaupt als solche zu erkennen.

    Laut Christian Hemschemeier ist das aber gar nicht so einfach: „Es gibt oft eine innere Blindheit dafür. Die Verleugnung ist extrem hoch.“ So könnten Verhaltensweisen wie Manipulation, Abwertung und Isolation oft sehr unterschwellig und subtil auftreten. Psychische Gewalt, so Düttmann, könne dann als „normal” missverstanden werden, weil sie angeblich zur Beziehung dazugehöre und der betroffene Partner es nicht anders kenne.

    Sei das toxische Verhalten in der Beziehung einmal erkannt, liege es am toxischen Partner oder an beiden, Verantwortung zu übernehmen und Grenzen zu setzen, um einen wertschätzenden Umgang miteinander zu finden, erklärt Verena Düttmann. Bei einseitig toxischen Beziehungen müsse der toxische Teil einer Partnerschaft in der Lage sein, sich selbst zu reflektieren und Veränderungsbereitschaft zu zeigen.

    Anders bei wechselseitig toxischen Beziehungen: „Da die Toxizität von beiden Seiten erzeugt wird, kann sie auch nur von beiden Seiten aufgelöst werden“, erklärt die Psychotherapeutin. Beide Partner müssten bereit sein, sich ihres 50-prozentigen Anteils an der toxischen Beziehung bewusst zu werden. Wenn das gelinge, könne eine ehemals toxische Beziehung eine große Chance sein, aneinander zu wachsen. „Die gemeinsame Aufarbeitung der Biografie schweißt zusammen“, so Düttmann. „Außerdem können die Paare viel voneinander lernen, denn meist kann ein Partner genau das besonders gut, was der andere nicht kann.“

    Trennung: Wann sollte eine toxische Beziehung lieber beendet werden?

    „Eine toxische Beziehung sollte spätestens dann beendet werden, wenn sie dauerhaft das eigene Wohlbefinden, die Gesundheit oder die eigene Sicherheit gefährdet“, erklärt Psychotherapeutin Düttmann. Kurz: Wenn die Kosten der Beziehung den vermeintlichen Nutzen übersteigen. Und wenn wiederholte Versuche, die Situation zu verbessern, gescheitert sind.

    Oft seien die Betroffenen aber so tief in die toxische Beziehung verstrickt, dass sie keine Entscheidungen mehr treffen könnten, so Düttmann. Beratungsstellen wie das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ oder der „Weiße Ring“ könnten dann helfen, sich aus der Abhängigkeit zu lösen. „Neben Freunden und Familie können solche Anlaufstellen emotionale Unterstützung, praktische Tipps und manchmal auch rechtliche Hilfe bieten“, fasst die Psychotherapeutin zusammen.