Saale-Holzland. Karin Kallenbach (69) aus Stadtroda erzählt von ihren Ängsten und warum es ihr wichtig ist, an der Demonstration gegen Rechtsradikalismus in ihrem Wohnort teilzunehmen.

Karin Kallenbach aus Stadtroda ist sichtlich bewegt. „Für mich ist es wichtig, hier zu sein und ein Zeichen zu setzen. Mein Vater war im KZ und wenn ich Bilder von einem Herrn Höcke mit ausgestrecktem rechten Arm sehe, muss ich sofort an meinen Vater denken“, sagte die 69-Jährige.

Gemeinsam mit ihrem Mann Horst (74) war Karin Kallenbach am 3. Februar eine von etwa 350 Menschen, die an der Demonstration „Demokratie verteidigen! Vielfalt l(i)eben“ auf dem Parkplatz am Schützenhaus in Stadtroda teilnahmen. Auch wenn sie sich nicht ans Mikrofon traute, um ihre Gedanken vor Ort in aller Öffentlichkeit zu teilen, so erzählte sie doch in kleiner Runde ihre Geschichte:

Mein Vater erzählte mir, dass er es satthabe, auf Menschen zu schießen.
Karin Kallenbach - Demonstrationsteilnehmerin

Ihr Vater, sagte sie, wurde am 27. Dezember 1922 in Zeitz geboren. Während des Zweiten Weltkrieges habe er an der Front in Russland kämpfen müssen. Als er eines Abends auf Spähtrupp gewesen sei, habe er plötzlich einem Russen gegenübergestanden, beide Männer hatten die Gewehre angelegt. „Mein Vater erzählte mir, dass er es sattgehabt habe, auf Menschen zu schießen. So habe er seine Waffe abgelegt und der Russe habe es ihm gleichgetan. Dann sind beide stiften gegangen.“

Ihren Vater habe man auf der Flucht gefasst. Von Richter Johann Reichhart, dem Scharfrichter der Nazis, sei er daraufhin zu zwei Jahren KZ verurteilt worden. 1943 kam er zunächst ins Konzentrationslager Esterwegen im Emsland, später dann ins KZ Börgermoor. Dort musste der Zeitzer Zwangsarbeit im Moor leisten und wurde von den Nazis gefoltert. Als er nach dem Krieg nach Hause kam, habe er nur noch 48 Kilogramm gewogen. „Hätte Hitler den Krieg damals gewonnen, hätte mein Vater nach 1945 noch für 27 Jahre in Haftstrafe in einen Steinbruch gemusst. Und das nur, weil er nicht mehr auf Menschen schießen wollte.“ In Hamburg ist Karin Kallenbachs Vater am 24. Mai 1999 gestorben.

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„Es darf nie wieder so sein wie zur NS-Zeit! Jeder Mensch hat ein Recht auf Leben. Einen Herrn Höcke werde ich nie akzeptieren“, sagte Karin Kallenbach. Die aktuellen politischen Entwicklungen seien eine starke Belastung für sie. „Ich habe Angst. Angst, dass auch mir einmal die Menschenrechte aberkannt werden könnten, dass ich irgendwann nur noch eine Nummer bin, entweder in Auschwitz oder in Buchenwald.“