Berlin. Probleme mit dem Gedächtnis können auf Alzheimer-Demenz hinweisen. Bisher war es kompliziert, sie abzuklären. Das könnte sich ändern.

Eine neue App für Smartphone oder Tablet könnte die frühzeitige Diagnose einer Alzheimer-Demenz erleichtern. Mit dem Programm ließen sich auch leichte kognitive Einschränkungen, die ersten Anzeichen der Erkrankung, zuverlässig und ohne großen Aufwand erkennen, so das Ergebnis einer Studie von Forschenden aus Deutschland und den USA. Die Studie ist im Fachjournal „npj Digital Medicine“ erschienen.

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Nach Angaben der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft leben in Deutschland fast 1,8 Millionen Menschen mit Demenz. Häufigste Ursache ist die Alzheimer-Erkrankung. Dabei gelten das Anhäufen und Verklumpen von Eiweißen als Schlüssel für das Absterben von Hirnzellen. In der Folge sinken kognitive Leistung, Gedächtnis und Orientierung.

„Die Anzahl der Betroffenen nimmt infolge des demografischen Wandels weiter zu“, teilt die Alzheimer-Gesellschaft mit. Gelinge bei Vorsorge oder Therapie kein Durchbruch, könnten Schätzungen zufolge im Jahr 2050 hierzulande bis zu 2,8 Millionen Menschen im Alter von über 65 Jahren erkrankt sein.

Studien über die Gabe von Antikörpern machen nun Hoffnung: Demnach könnte es in Zukunft tatsächlich gelingen, für einen kleinen Teil der Betroffenen Therapien zu entwickeln, die zumindest das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen. Dabei geht es darum, die Eiweißklumpen im Gehirn durch Medikamente aufzulösen. Voraussetzung für den möglichen Erfolg ist die sehr frühe Diagnose und Behandlung.

Könnte ich Alzheimer haben? Die Test-App aus Magdeburg spricht unterschiedliche Hirnbereiche an.
Könnte ich Alzheimer haben? Die Test-App aus Magdeburg spricht unterschiedliche Hirnbereiche an. © imago/Science Photo Library | imago/Science Photo Library

Genau hier aber gibt es Probleme: „In der aktuellen klinischen Praxis werden Gedächtnistests zur Alzheimer-Erkennung unter Anleitung einer medizinischen Fachkraft durchgeführt“, teilt das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) mit. Die untersuchten Personen müssten dabei schriftlich oder im Gespräch standardisierte Aufgaben lösen: sich Wörter merken zum Beispiel oder nach Vorgaben geometrische Figuren zeichnen. „Diese Tests erfordern eine professionelle Betreuung. Die Ergebnisse sind ansonsten nicht aussagekräftig“, führt das DZNE aus.

Ein von dem Magdeburger Start-up-Unternehmen Neotiv entwickelter Smartphone-Test könne hier deutliche Vorteile bieten, sagt Prof. Emrah Düzel laut Mitteilung. Er ist Neurowissenschaftler am DZNE, an der Universitätsmedizin Magdeburg und medizinischer Leiter bei Neotiv. Der Test komme ohne Aufsicht aus und könne in einer Praxis ausgewertet werden. „Solche Testungen würden helfen, klinisch relevante Gedächtnisstörungen im Frühstadium zu erkennen und Krankheitsverläufe engmaschiger zu erfassen, als es heute möglich ist“, so Düzel.

Dass die neue Methode mit klinischen Untersuchungen vergleichbar sei, habe eine Studie von Forschenden der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, der US-amerikanischen University of Wisconsin-Madison sowie von Neotiv gezeigt, so das DZNE. An dieser nahmen 199 Frauen und Männer im Alter von über 60 Jahren aus Deutschland und den USA teil. Sie waren kognitiv gesund, hatten leichte oder auch nur subjektiv empfundene Gedächtnisprobleme.

Die Studie zeige, dass das neuartige digitale Verfahren den Weg dafür ebne, bei einem Alzheimer-Verdacht frühzeitig entweder Entwarnung geben oder die Beschwerden weiter klinisch untersuchen zu können, so Düzel. Darüber hinaus biete es für die Forschung ein Instrument zur Beurteilung kognitiver Fähigkeiten, das in klinischen Studien eingesetzt werden könne.

Die Neotiv-App ist den Angaben zufolge interaktiv und umfasst drei Arten von Gedächtnisaufgaben. Im Wesentlichen gehe es darum, sich Bilder zu merken oder Unterschiede zwischen Bildern zu erkennen, die von der App eingeblendet werden. Mit diesen Tests ließen sich unterschiedliche Bereiche des Gehirns ansprechen, die in verschiedenen Phasen einer Alzheimer-Erkrankung betroffen sein könnten. „Dahinter steckt langjährige Forschungsarbeit“, sagt Düzel.

Jetzt soll der neuartige Gedächtnistest, der von Kliniken und Praxen eingesetzt werden könnte, an größeren Studiengruppen weiter erprobt werden. Zudem wollen die Forschenden herausfinden, ob sich damit auch die Entwicklung einer Alzheimer-Erkrankung über einen längeren Zeitraum verfolgen lässt.