Berlin. An der Ostseeküste in Schleswig-Holstein wird eine schwere Sturmflut erwartet. Was hat es mit dem Wetterphänomen auf sich? Die Fakten.

Alarm an der deutschen und dänischen Ostseeküste: Über den Norden peitscht der erste schwere Herbststurm dieses Jahres, und er bringt gleich eine schwere Sturmflut mit. Schon am Donnerstag wurde es in Küstenorten wie Kiel und Lübeck ungemütlich. Vielerorts wurden schon Uferzonen und Straßen überschwemmt, Strandkörbe ins Meer gespült. Mit steigenden Pegelständen wächst auch die Angst der Küstenbewohner. Eine Polizeisprecherin in Flensburg ist sich sicher: „Das dicke Ende kommt noch!“

Was ist eigentlich eine Sturmflut?

„Eine Sturmflut ist eine durch Sturm erhöhte Flut. Die Wasserstände an den Küsten steigen dann um einen bestimmten Betrag“, erklärt Karina Stockmann vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). Sturmfluten entstehen, wenn sehr starker Wind über das Meer fegt und die Wassermassen in Richtung Küste drückt. Dort kommt es dann binnen kürzester Zeit zu sehr hohen Wasserständen.

Im aktuellen Fall peitscht ein heftiger Sturm aus östlicher Richtung über die Ostsee. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) gab Sturmwarnungen heraus. Demnach sollte das Maximum am Freitagnachmittag und Freitagabend erreicht werden, dann war in der Region mit Sturm- und Orkanböen mit mehr als hundert Kilometern pro Stunde zu rechnen.

Was macht die aktuelle Sturmflut an der Ostsee so gefährlich?

Sturmfluten sind tückisch, weil es innerhalb sehr kurzer Zeit zu einem starken Anstieg der Pegelstände kommen kann. Die Wassermassen können dabei Dutzende von Kilometern ins Landesinnere vordringen. Es sind also nicht nur Küstenbewohner in Gefahr, sondern auch Menschen, die einige Kilometer entfernt vom Meer leben. Die Beschaffenheit des Meeresgrundes spielt ebenfalls eine Rolle. Durch flache Ufer wie an der Ostsee kann das Wasser bis weit ins Hinterland vordringen.

Gibt es Unterschiede zwischen Nord- und Ostsee?

Grundsätzlich kommen Sturmfluten an der Nordsee häufiger vor. Laut Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) ist die Deutsche Bucht eines der am stärksten von Sturmfluten bedrohten Gebiete weltweit. Sie reicht von den Westfriesischen Inseln in den Niederlanden über die Ostfriesischen und Nordfriesischen Inseln in Deutschland bis an die dänischen Wattenmeer-Inseln vor Jütland. „Durch die Lage der Nordseeküste und den Trichtereffekt der Elbmündung treten Sturmfluten in der Deutschen Bucht häufiger auf als anderswo“, erklärt Karina Stockmann vom BSH.

Hochwasser in Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern. Dort soll die Sturmflut nicht ganz so schlimm werden.
Hochwasser in Greifswald in Mecklenburg-Vorpommern. Dort soll die Sturmflut nicht ganz so schlimm werden. © DPA Images | Stefan Sauer

Wie werden Sturmfluten klassifiziert?

Sturmfluten an der Nordseeküste werden in drei Klassen eingeteilt, abhängig vom Wasserstand über dem mittleren Hochwasserstand. Eine Sturmflut beginnt bei 1,5 Metern über mittlerem Hochwasser (MHW). Eine sehr schwere Sturmflut mit der Gefahr eines Dammbruchs liegt bei einem Wasserstand ab 3,5 Metern über MHW vor.

An der deutschen Ostseeküsten gibt es vier Kategorien. Dort beginnt eine Sturmflut ab 1,00 Metern über MHW. Eine sehr schwere Sturmflut liegt ab 2 Metern vor. In der Flensburger Förde wird dem BSH zufolge am Freitag ein maximaler Wasserstand von bis zu zwei Metern über mittlerem Hochwasser erwartet, in der Kieler und der Lübecker Bucht werden 1,70 bis 1,80 Meter über dem üblichen Pegelstand erreicht. An der weiter östlich gelegenen Küste von Mecklenburg-Vorpommern werden Wasserstände von einem bis 1,30 Meter über dem Normalwert erwartet.

Werden Sturmfluten als Folge des Klimawandels häufiger auftreten?

Dazu hat sich die Wissenschaft noch keine abschließende Meinung gebildet. „Ob eine Sturmflut in den nächsten Jahren häufiger vorkommt, ist noch nicht absehbar“, sagt Karina Stockmann. Die Windverhältnisse über der Nordsee hätten sich bisher nicht systematisch verändert. Allerdings bestätigten aktuelle Forschungsergebnisse, dass die Sturmflut-Wasserstände an der Nordseeküste bis Ende des Jahrhunderts um drei bis zehn Dezimeter ansteigen werden – was die Gefahr für küstennahe Gebiete noch einmal deutlich erhöhen dürfte.