Altenburger Land. Vom Traum zur Realität: Heidi Hindemiths lebenslange Leidenschaft für die Gastronomie. Anregende Plauderstunde im Altenburger Land.

  • Heidi Hindemiths Lebenswerk.
  • Worauf die Schmöllnerin stolz ist.
  • Eine Gastronomin erzählt ihre bewegte Berufsgeschichte.

Bereits in der 8. Klasse legte sich Heidi Hindemith fest: Sie wird Kellnerin und möchte einmal ein eigenes Restaurant führen. Ihre Großeltern, aus Schlesien stammend, hatten einst einen Gasthof und Onkel und Tanten betrieben ebenfalls Restaurants und Gasthöfe.

Sie entschied sich für diesen Weg, weil sie nicht zur EOS kam. Wer weiß, wie ihr beruflicher Werdegang dann gewesen wäre. Sie entschied sich getreu des Rates ihres Opas – „Essen und trinken will man immer, geh in die Gastronomie“ – und sie wurde Kellnerin. Heidi Hindemith, Jahrgang 1963, lernte in der Esse, also im Stadt Schmölln, erzählt sie zur Plauderstunde mit Frank Hübschmann bei Gastgeber Thomas Büchner am Mittwochabend.

Den Traumberuf hat sich Heidi Hindemith nicht ausreden lassen

Den Traumberuf ließ sich Heidi Hindemith beim Bewerbungsgespräch nicht ausreden. An den Wochenenden arbeiten – das war ihr egal, störte sie nicht. Die Lehrzeit war schön, aber hart. Saubere Schuhe und Fingernägel ein Muss. Das Filetieren, Tranchieren und Vorlegen habe sie gelernt. Erst viel später habe sie das gebraucht, erzählt sie. Anfangs kam sie ins Schwimmen, konnte kaum fünf Gäste bedienen, die schweren Tabletts mit 20 Biergläsern schleppen, das war nicht einfach.

1985 hörte Heidi Hindemith auf. Mit einem kleinen Kind ließen sich die Arbeitszeiten nicht stemmen. Sie schulte um im Bereich Textil- und Lederwaren und arbeitete in der Jugendmode in der Pfarrgasse. Doch dann arbeitete sie an den Wochenenden wieder in der Esse. Der Beruf ließ sie nicht los. Renft, Puhdys, Schmöllner Extrablätter oder tolle Silvesterfeiern: „Es waren so schöne Zeiten, die kommen nie wieder“, blickt sie zurück. Wenn die Leute gut gekleidet aus den Zügen stiegen, um zum Pfefferbergfest zu gehen, dann kamen sie in die Esse, zogen ihre Jeans und Hippiekleidung in der Toilette an, und gingen dann los, erinnert sie sich schmunzelnd.

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Erdbeeren wurden damals vom Personal gepflückt und eingefroren, damit man was Besonderes für Feiern hatte. Wie das damals halt so war mit der Beschaffung. Ostern gab es die ersten Salatgurken. Den Duft hat sie heute noch in der Nase. Die Maueröffnung erlebte sie daheim. Bei ihr klingelten 15 Leute und rieten ihr, den Fernseher anzuschalten. Tags darauf fuhr sie samt Kind und Mann nach Remscheid. Dort wohnten ihre Schwiegereltern. Die erste Tankstelle, die sie erblickte, sah aus wie die Lego-Tankstelle ihres Sohnes. Sie war baff.

Mit der politischen Wende kam die Entlassung

Als eine Westfirma die Jugendmode übernahm, wurden drei von fünf Mitarbeitern entlassen. Sie war darunter. Nun arbeitete sie in der Firma ihres Mannes, im Imbiss im Kaufland. Durch die Hilfe des Arbeitsamtes war sie dann im Hotel Zur Burg in Posterstein. Dann gab es gesundheitliche Probleme. Zum Glück war man in einem Alter, in dem man noch vieles ausprobieren konnte. Sie begann eine Umschulung. Glücksfall, das Bellevue, gehobene Gastronomie, suchte Personal. Wie die Schmöllner damals sagten: „Große Teller, kleine Speisen.“ Sie gingen nicht hin. Aber von auswärts kamen die Gäste.

Als der Besitzer krank geworden war, bot er ihr die Möglichkeit des Pachtens an. Das war 2003. Ihr Bauchgefühl sagte ja. Sie begann nicht erst am 1. Januar 2004, sondern nahm das Weihnachtsgeschäft 2003 mit, zog ins Hotel, weil sie zuvor daheim ausgezogen war. Sie wollte das Beste aus der Situation machen, keine Kredite aufnehmen und konnte pünktlich alles zahlen, erzählt sie. Natürlich ohne Achtstundentag, dafür mit Herzblut. Das Hotel lief gut.

Junge Leute haben andere Vorstellungen. Das muss man akzeptieren.
Heidi Hindemith

Nun wollte sie die Schmöllner auf den Pfefferberg ins Restaurant locken, mit Tanztee und Tanzabenden. Das klappte nicht. Erst der Brunch mit 20 Euro brachte den Durchbruch. Die Gäste richteten nun ihre Familienfeiern aus, fassten Vertrauen und kamen wieder. Und Prominente waren auch zu Gast. Der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog, als er dem Gymnasium seinen Namen verlieh. „Das war schon eine Ehre“, sagt sie. Künstler natürlich und auch Prinzen waren Gäste. Auch Starkoch Alfons Schuhbeck war im Bellevue. „Wir haben aber immer alle wie ganz normale Gäste behandelt. Das fanden sie allesamt wohltuend“, blickt sie zurück.

Glühlampen mitgehen lassen, Laptops hin und wieder vergessen

Auch Gault-Millau-Kochmützen und Michelin-Sterne hat das Bellevue eingeheimst. 60 Lehrlinge hat sie ausgebildet. Ob was aus dem Hotel mitgenommen wurde, wollte Frank Hübschmann wissen. Ja, einmal ein Boden aus einem Schrank und Glühlampen. Dafür wurden Laptops in den Zimmern hin und wieder vergessen, erzählt sie. Und Pannen sind durchaus passiert. Aber die Gäste haben es meist nicht bemerkt. Einmal sei das Brautpaar oben auf der Hochzeitstorte abgestürzt, erzählt sie und niemand hat es mitbekommen. Sie hat Gastronomie geliebt und gelebt, mit Leib und Seele. Das spürt man in ihren Erzählungen.

Zeit für Privates und für Reisen nehmen

Stolz aber ist sie, dass sie sich von der gehobenen Küche getrennt und die Schmöllner für ihr Restaurant gewonnen hat. Ihr Gästebuch zeugt von äußerst zufriedenen und zahlreichen Gästen. Gesundheitlich bedingt, hörte sie vor zwei Jahren auf. Drei Jahre gab sie den Besitzern Zeit, sich nach neuen Pächtern umzuschauen. Seit dem 1. Januar 2022 hat das Haus eine neue Pächterin, Jawaria Kanwal Chaudhari. „Ja, junge Leute haben andere Vorstellungen“, sagt sie. „Das muss man akzeptieren. Aber kommen Sie hoch. Das Essen ist toll. Es gibt schmackhafte pakistanische Gerichte, aber auch Schnitzel“, wirbt sie für die neue Inhaberin. Und wie geht es im Ruhestand weiter, will Frank Hübschmann wissen. „Da ich immer nach 20 Jahren was Neues gemacht habe, wenig Zeit für Privates hatte, will ich jetzt die nächsten 20 Jahre auf Reisen gehen. Dafür habe ich eine Liste. Darauf freue ich mich.“

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