Berlin. Im Staatshaushalt fehlen plötzlich viele Milliarden – doch der Kanzler sieht keinen Anlass für eine Neuausrichtung seiner Politik.

Trotz des Urteils des Verfassungsgerichts zur Schuldenbremse und den dadurch verursachten Löchern im Bundeshaushalt plant die Berliner Ampel-Koalition keine grundlegende Neuausrichtung ihrer Politik. Das machte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Freitag deutlich.

Die Regierung halte daran fest, die Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine für Deutschland zu mildern, die Ukraine zu unterstützen, den sozialen Zusammenhalt zu stärken, die Wirtschaft klimagerecht zu modernisieren und Deutschland schneller und digitaler zu machen, sagte Scholz in einer am Nachmittag veröffentlichten Videobotschaft. „All diese Ziele sind und bleiben richtig! All diese Ziele verfolgen wir weiter.“

Lindner setzt auf hartes Sparen: «Erheblicher Konsolidierungsbedarf»

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    Der Kanzler kündigte an, am kommenden Dienstag im Bundestag eine Regierungserklärung zur Haushaltspolitik geben zu wollen. Für das laufende Jahr werde die Regierung wie angekündigt abermals die Schuldenbremse aussetzen. „Den Haushalt für das nächste Jahr werden wir im Lichte des Urteils genau überarbeiten – zügig, aber mit der gebotenen Sorgfalt.“ Die notwendigen Entscheidungen würden nicht auf die lange Bank geschoben, sagte Scholz. Vielmehr arbeite die Regierung „schon in diesem Jahr daran, dass die Bundesregierung und der Bundestag alle Beschlüsse, die für den Haushalt 2024 erforderlich sind, schnell treffen“.

    Ampel-Koalition: Die gesamte Finanzplanung ist hinfällig

    Mit seiner kurzen Videobotschaft meldete sich der Kanzler nach längerem Schweigen wieder in der Debatte über die künftigen Staatsfinanzen zu Wort. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom vergangenen Mittwoch ist die gesamte Finanzplanung der Berliner Ampel-Koalition hinfällig. Es ist vollkommen unklar, wie sie ihre weiteren Projekte finanzieren will.

    Die Karlsruher Richter hatten die Verschiebung von nicht genutzten Corona-Krediten im Umfang von 60 Milliarden Euro in den Klima- und Transformationsfonds untersagt. Durch das Urteil ist ein weiteres kreditfinanziertes Sondervermögen hinfällig, aus dem bisher die Energiepreisbremsen für Strom und Gas bezahlt werden. Auch der Bundeshaushalt 2023 hat keinen Bestand mehr. Die Beratungen des Haushalts 2024 im Parlament sind vorläufig gestoppt.

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    Bundesregierung will Schuldenbremse aussetzen

    Am Donnerstag hatte Finanzminister Lindner angekündigt, dass er in Kürze einen Entwurf für einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr vorlegen werde. Geplant ist, dafür abermals die Schuldenbremse außer Kraft zu setzen und im großen Umfang neue Kredite aufzunehmen. Dafür muss der Bundestag eine außergewöhnliche Notlage beschließen. Dies lässt sich für 2023 voraussichtlich gut begründen, da Anfang des Jahres infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Energie knapp und teuer war.

    Im kommenden Jahr wird das nach Lage der Dinge aber nicht mehr der Fall sein. Deshalb ist unklar, ob die Koalition auch 2024 noch einmal die Ausnahmeregel zur Schuldenbremse aktivieren kann. Finanzminister Lindner schwor die Koalition bereits auf einen strikten Sparkurs ein und sprach von einem „erheblichen zusätzlichen Konsolidierungsbedarf“ in zweistelliger Milliardenhöhe pro Jahr. Es gibt unter anderem Forderungen, auf die geplante Kindergrundsicherung und die Erhöhung des Bürgergelds sowie die vorgesehenen Zuschüsse zum Heizungstausch zu verzichten.